Ein Exposé ist wie eine Visitenkarte der Immobilie: Es soll neugierig machen – aber nicht alles verraten.
Sie verwenden eine etablierte Fachsprache, die bestimmte Objekteigenschaften signalisiert. Wer diese "Exposé-Sprache" versteht und die richtigen Nachfragen stellt, zieht daraus wichtige Schlüsse.
Ein Immobilien-Exposé ist weit mehr als nur eine Objektbeschreibung , es ist ein strukturiertes Kommunikationsmittel zwischen Verkäufern und informierten Käufern.
Worte wie ‚charmant‘, ‚einfacher Standard‘ oder ‚gepflegte Anlage‘ klingen zwar freundlich, können aber ein Signal dafür sein, dass sich hinter der Beschreibung mehr verbirgt, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Wer diese erkennt und gezielt die Unterlagen prüft, trifft deutlich sicherere Entscheidungen.
Eine Kaufbegleitung mit Hilfe eines Bausubstanzgutachten oder die Unterlagenprüfung über ImmoFit kann präventiv wirken und den Immobilien Kauf erleichtern.
Eine Studie der Deutschen Makler-Akademie aus 2023 analysierte 50.000 Immobilien-Exposés und fand heraus:
73% der als "sanierungsbedürftig" beworbenen Objekte wiesen Sanierungskosten auf, die 15-25% über dem Kaufpreis lagen. Bei "renovierungsbedürftigen" Objekten waren es immerhin noch 8-12%.
„Omas gute Stube“
eine Formulierung, die an Nostalgie weckt, tatsächlich jedoch meist bedeutet: Jahrzehnte ohne Renovierung. Alte Tapeten, marode Elektrik, und veraltete Heiztechnik sind keine Seltenheit. Wer so ein Exposé liest, sollte genauer ein Blick darauf werfen.
„Charmant“
klingt nett, aber oft bedeutet es: die Grundstruktur existiert, aber Ausbau und Modernisierung sind dringend notwendig.
„Einfacher Standard "
heißt häufig: veralteter Gesamtzustand. Fenster einzelverglast, Heizung ineffizient, Dämmung mangelhaft. Diese Formulierung ist daher eine klassische Red Flag – auch für Banken kann das ein Risikofaktor sein.
„Liebhaberobjekt“
suggeriert besonderen Charme, ist in der Praxis aber ein Hinweis auf ungewöhnliche Gestaltung, individuellen Stil oder schwierig zu verkaufende Lösungen. Banken finanzieren solche Immobilien oft nur eingeschränkt und der Wiederverkauf kann sich schwer gestalten.
„Provisionsfrei vom Eigentümer “
Auf den ersten Blick spart man Maklergebühren – aber Achtung: Private Verkäufer legen oft nicht die vollständigen Unterlagen vor. Energieausweis, Protokolle oder Versicherungsnachweise können fehlen. Das ist mit Mehraufwand verbunden und erhöht die Gefahr, dass relevante Informationen erst sehr spät sichtbar werden.
„Individueller Grundriss“, „außergewöhnliche Architektur“
Schön im Exposé, im Alltag oft verwinkelt, wenig Stellfläche, suboptimale Möbelstellung. Grundriss genau prüfen, am besten im Maßstab und vor Ort.
„für Handwerker:innen“, „Objekt mit Potenzial“
Code für substanzielle Arbeiten und Budget. Wer das mag: gut. Wer planbare Kosten braucht: detailliert kalkulieren (Gewerk für Gewerk).
„Lage mit Potenzial“, „aufstrebendes Viertel“
Übersetzung: Es passiert viel – inklusive Baustellen, Verdichtung, Lärm. Bebauungspläne , Nachabarschaft und Gebietsentwicklung checken.
„Für Sportliche“
Charmant formuliert – gemeint ist oft ein oberes Stockwerk ohne Aufzug oder ein Lift, der keine Option ist. Realbeispiele in Inseraten zeigen genau diese Lesart. Ergebnis: viel Treppe.
Vom Caveat Emptor zum Verkäuferschutz
Der Immobilienmarkt durchlebt gerade eine stille Revolution. Was früher als geschicktes Marketing galt, wird heute zunehmend rechtlich hinterfragt. Ein aktuelles BGH-Urteil vom 15. September 2023 (Az. V ZR 77/22) hat die Spielregeln fundamental verändert:
Verkäufer müssen Käufer nun auch ungefragt über drohende Sanierungskosten aufklären – selbst wenn entsprechende Unterlagen theoretisch verfügbar sind.
Diese Entwicklung markiert einen Paradigmenwechsel im deutschen Immobilienrecht und stellt die Frage:
Wie ehrlich müssen Immobilien-Exposés wirklich sein? Und welche Rechte haben Käufer, wenn sie zwischen marketing-optimierten Formulierungen und der Realität unterscheiden müssen?
Jahrzehntelang galt im deutschen Immobilienrecht das Prinzip "Caveat Emptor": der Käufer möge aufpassen.Verkäufer waren nur bei direkter Nachfrage zur Auskunft verpflichtet. Diese Rechtsprechung basierte auf der Annahme, dass beide Vertragsparteien gleichberechtigt und gleich informiert sind. Das Bundesgerichtshof-Urteil vom September 2023 kehrt diese Logik um. Der Fall betraf eine Eigentumswohnung, bei der der Käufer erst nach dem Kauf von einer bevorstehenden Sonderumlage in Höhe von 85.000 Euro erfuhr. Obwohl die entsprechenden Protokolle in einem Datenraum verfügbar waren, entschied der BGH: Die bloße Bereitstellung von Unterlagen entbindet Verkäufer nicht von der aktiven Aufklärungspflicht.
Das Urteil stützt sich auf § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflicht) in Verbindung mit § 311 Abs. 2 BGB (vorvertragliche Schuldverhältnisse). Die Richter argumentierten, dass bei Immobiliengeschäften ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, das über normale Kaufverträge hinausgeht.
Kernaussagen des Urteils:
Diese Rechtsprechung wirkt sich direkt auf die Gestaltung von Immobilien-Exposés aus. Was früher als clevere Formulierung galt, kann heute rechtliche Konsequenzen haben.
Kombiniert ergibt das ein vollständiges Bild – unverzichtbar bei Einfamilienhäusern.
Bei Eigentumswohnungen hat sich jedoch die Unterlagenprüfung durchgesetzt. Sie deckt mit bewusster Besichtigung und gezielten Nachfragen die entscheidenden Risiken ab. Ein separates Gutachten ist hier meist weder üblich noch wirtschaftlich sinnvoll.